Eines schönen Tages stampfte mein damals noch junger Rüde los und beschloss die Tatsache Vater zu werden. Im Nachhinein gut, dass ich das gesamte Ausmaß dessen nicht kannte. Ich hätte wahrscheinlich schon früh kapitulieren wollen. Früher, als in den einzelnen Situationen, die sich im Laufe der Zeit ergaben.
Die Geburt der Bande begann direkt drastisch: eine der Hündinnen musste mit Mund zu Mund Beatmung und Herzdruckmassage meines kleinen Fingers ins Leben motiviert werden. Eine natürliche Selektion hätte dort eigentlich schon gegriffen. Doch so steht sie nun heute vor mir; „Anouk“ die mentale Bärin.
Anouk ist ein Ruhepool. Und tatsächlich ein Fundament des Rudels. Sie entwickelte sich zu einem Bulldozer, der beim „Gib Pfote“ mit Glück meine Hand nicht auf den Boden knallt oder irgendeine andere Körperstelle bei mir trifft.
Einem Kraftpaket, die allein durch ihre Erscheinung wirkt. Und durch ihr Gemüt ihre Familie souverän unterstützt. Genau dies ist weniger blumig gesprochen, als tatsächlich genau beschrieben; sie reiht sich bei dem Erziehenden ein, der gerade Unterstützung braucht.
„Trulla“ ’s Steckenpferd ist mittlerweile die Resozialisierung fremder Hunde. Sie überzeugt mit Kraft, nicht mit Schmerz. So wuchtet sie einen anderen Hund herum und zeigt unmissverständlich den endgültigen Schlussstrich eines Fehlverhaltens. Merkt sie, dass ihr Artgenosse mit dieser starken Aussage nicht umgehen kann und dementsprechend überreagiert, drosselt sie sich selbst. Sie nimmt die Kraft heraus und wird stattdessen beharrlich. Auch wenn das Nachgeben des anderen nun länger dauert, so passt sie sich an.
„Dina“, der Flummi. Sie war in der Hierarchie der Hunde immer das Schlusslicht. Und ist es bis heute geblieben. Doch es gab einen Wandel. Die anderen Hunde nutzten sie als Prellbock. Egal was war oder leider wenn auch eben mal nichts war; Dina musste es ausbaden. Sie dankte es uns allen mit ihrer Art: Ein Hund, der kaum zu bremsen war. Somit hatten die anderen Hunde nicht unrecht sie immer und immer wieder maßregeln zu wollen, weil sie es tatsächlich mussten. Um Ruhe in ihrem Verbund zu erhalten.
Doch nun ist die Phase der Hackordnung vorüber. Denn zum Beispiel hat Trulla nun gelernt ihre Art bewusst einzusetzen. Mal unterstützend zu wirken, ebenso wie Anouk. Sich aber im Gegenzug nicht provozieren zu lassen. Und sich aus Dingen heraus zu halten, bei denen ihr Verhalten lediglich zum hoch pushen diente. Dina blühte auf und reiht sich zusehnst bei ihren Geschwistern ein und wird mit sehr schöner Zuwendung ihrer Familie gefestigt.
Wir erleben nun was es für die Hunde bedeutet, sich aus der Jugend heraus entwickelt zu haben. Es hat sich geordnet. Jeder hat sich in seiner Art entwickelt. Und jeder hat seine Rolle nun inne.
Wir waren mal wo anders, als alles begann. Wir werden wieder woanders sein, als dort wo wir nun sind.
Und doch wirkt es nun wie die Zeit, an denen wir die Früchte ernten können.
Ich werde immer mal wieder gefragt: „Deine Hunde sind doch bestimmt perfekt?!“
„Nein. Und das Gott sei Dank auch nicht!“
Erstens- das wäre ja dann schon fast langweilig ;-)
Aber um realistisch zu bleiben: Warum sollten sie perfekt sein? Ein Hundetrainer zu sein, bedeutet im besten Fall nichts anderes, als einen Hund zu kennen. Seine Natur zu kennen. Sein Lernverhalten, seine Strukturen. Seine Physiologie und körperlichen Merkmale, Ausprägungen und Abläufe.
Ein Trainer zu sein bedeutet das „Tier Hund“ zu kennen. Und genau dieses an weitere Hundehalter weiter geben zu können.
Hundetrainer zu sein bedeutet eben nicht (!) gefreit zu sein von Entwicklungsschüben eines Hundes.
Es bedeutet nicht, dass meine Hunde nicht mal eine Hummel im Hintern haben ;-) . Es bedeutet nicht, dass sie mal frech sind. Es bedeutet nicht, dass jeder Tag Neues bringt. Für mich bedeutet es nicht, dass mein Hund funktioniert.
Natürlich, eines ist für mich unumstritten: ich muss (!!) mich auf meine Hunde verlassen können. In jeglicher Situation muss ich sie kontrollieren können. Ich muss immer einwirken können. Und sie müssen mir immer die letzte entscheidende Handlung überlassen.
Solange das gegeben ist, möchte ich sie sehen und erleben- in allen lebenszugehörigen Teilen, Abschnitten und Entwicklungsstufen!
Hundeerziehung ist einfach. Tatsächlich ist die (Über-)Lebensstruktur eines Hundes sehr simpel. Das ist eine wahre Wohltat und kann mit Geschick genau auch als solches aufgegriffen und umgesetzt werden.
Aber was es doch wieder komplex macht, sind unsere Sichtweisen. Unsere nun mal menschliche Art zu leben. So fügen wir zwei Lebensarten zusammen, Hund/Mensch, die in der Veranlagung ähnlich sind. Und doch manchmal eben grundverschieden. Komplex und individuell wird es immer dann, wenn jeder einzeln betrachtet wird.
Aber was ist Hundehaltung am Ende eines jeden Tages?
Ein Zusammenleben. Mit allen Höhen und Tiefen.
Und was geschieht mit jedem Lebewesen?
Es entwickelt sind.
Aus dem Ei wird ein Huhn.
Aus dem Baby wird ein Erwachsener.
Eine Heranreifung.
Der Prozess.
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