Das “Werkzeug Maul“
Das Verharmlosen der Beisshemmung
Wenn aus dem süüüßen Welpen * huch* ein Hund wird
Aus gegebenem Anlass schreibe ich nun diesen Text über “Missachtung“ der Beisshemmung eines Hundes.
In den letzten Wochen traf ich vermehrt Hunde, bei denen sich diese Thematik häufte.
Es ist schon lange kein Spiel mehr, wenn der erste Brief geöffnet wird, in dem es heißt, dass der Beissvorfall des eigenen Hundes zur Anzeige gebracht wurde.
Und sind Vorfälle, bei denen dieser Brief ausblieb gerade nochmal gut gegangen?
Geschehen sind diese Attacken zwischen Hund und Mensch, also sind sie lediglich bisher für den Hundehalter ohne rechtliche Konsequenzen geblieben. Bisher. Und das ist auch das einzige, was ausblieb.
Alle Szenarien zwischen Hund und Mensch spielen sich weiterhin ab.
Das Maul des Hundes ist ein wunderbares Werkzeug!
Ähnlich vergleichbar wie es unsere Hände für uns sind.
Dazu und ebenso elementar ist das Maul des Hundes sein Kommunikationsmittel.
Wie viel und grazil er dies einsetzen kann, kann man am besten erleben, wenn man sich in einen Pulg von Hunden begibt und sich einmal ganz auf die Mäuler konzentriert.
In einem natürlichen Rudel (*Definition siehe unten) kann man erleben, wie die Älteren die jüngeren Tieren anleiten mit ihren Fertigkeiten umzugehen um ihre Zähne gezielt einzusetzen. Eben so das Prinzip der Aktion/Reaktion. Dadurch lernen die jungen Hunde beispielsweise, dass wahlloses Zubeißen Schmerzen beim Gegenüber verursacht und eine dementsprechend Reaktion erfolgen wird. Somit ertastet sich ein junger Hund heran: wie viel, wie feste, wann, darf ich überhaupt und nun muss ich aber mein Maul einsetzen.
Die Verhaltensweisen werden durch die Sozialstrukturen erlernt. Es formt sich. Eine ganz natürliche Lebensweise und Art zu lernen.
Und lesen wir dies und stellen es uns bildlich vor; macht es absolut Sinn, wirkt eben durch und durch natürlich und alles ist gut!
Und jetzt kommt der Mensch.
Beziehungsweise genau anders herum.
Der Welpe kommt zum Menschen.
Und ausgeblendet ist das, was am Ende passieren kööööönnte….
Mal ganz abgesehen von der im davor geschriebenen Absatz; die Natürlichkeit des Erlernens in einer Sozialstruktur.
Ein Welpe muss sein Maul einsetzen. Er muss ausprobieren. Lernen. Erfahren. Sich durch die Welt tasten. Spätestens wenn er zahnt, wird er viel kauen und knabbern müssen.
Doch es gibt einen Unterschied und dieser ist entscheidend und wegweisend. Wie, bei was/wem setzt mein Hund seine Zähne ein?
Wenn es doch unter Hunden ganz natürlich ist, dass sie sich untereinander zeigen, wie ein Maul eingesetzt wird und nun die Mensch/Hund/Konstellation etwas anderes geschaffen ist, bleibt doch die Struktur die Gleiche: jemand muss es dem jungen Hund beibringen. Und dies sollte nun der mit ihm zusammen lebende Mensch übernehmen.
Es ist leider Gottes nach wie vor ein fest hängender Irrtum, dass Ignoranz einem Hund signalisieren würde, dass seine Handlung ein Fehlverhalten darstellt. Dies ist kein Feedback einer sozialen Komponente, welches dem Hund signalisiert sein Verhalten abzubrechen.
In diesem Fall gilt leider doch der Satz: “Lob ist die Abwesenheit der Korrektur.“
Schlicht gesagt, knabbert beißt, versenkt mein Junghund seine Zähne in mir, bringt es rein überhaupt gar nichts ihn gewähren zu lassen und mit Ignoranz zu “strafen“. Mal davon ab, dass das wirklich schon arg schmerzhaft sein kann und es ein Akt der Selbstbeherrschung ist, meinem Hund kein Kontra dafür zu geben.
Solange ein Kind haut und kneift und kein klares “Nein!“ erfährt, so weiß es nicht um sein Fehlverhalten.
Das Prinzip ist daher einfach.
Schwierig ist hier aber wieder mal all zu oft die emotionale Seite des Halters.
Welpen und Junghunde sind zumeist süß, goldig und dergleichen. Und die wenigsten können sich vor ihrem Charme schützen. ;-)
Und dann kommen in ausgeuferten Fällen zumeist psychosoziale Details der jeweiligen Halter dazu.
Alles ist im einzelnen sehr wichtig zu beachten und keinesfalls klein zu reden! Ganz im Gegenteil, diese Faktoren sind schlussendlich das Zünglein an der Waage!
Erst mit dem Bewusstsein hierzu, mit dem Bewusstsein, warum es einem selbst so schwer fällt dem eigenen Junghund besagte Grenzen aufzuweisen, steht und fällt die gemeinsame Wegesrichtung!! Also ist das Thema “Beißhemmung“ natürlich auch nur ein Beispiel für die Grenzensetzung ansich.
Notwendige und keinesfalls mehr zu verharmlosende Beispiele, die ein “Aber mir fällt das schwer nein zu sagen…“ nicht mehr zulassen. Hier aus meiner Praxis:
Folgen ausgeuferter fehlender Grenzensetzung:
– 6 mon. Rüde riss im ersten Treffen sieben Löcher in Lederhandschuhe
– 10 mon. Rüde wollte (bei gestellter Szene) einer Frau in den Rücken springen, legte den Kopf um 90 Grad um vollständig zupacken zu können
– 12 mon. Rüde bremste auf der Zielgeraden zum Gesicht am Ellbogen
– 12 mon. Rüde beißt beiden Besitzern Beine und Arme blau, täglich
(beschriebene Beispiel haben alle die zugrundeliegende fehlende Beißhemmungen und stehen entweder im direkten Zusammenhang mit dieser oder sind daraus resultierende und stark weiter potenzierte Folgen mit weitreichenderer Thematik)
Dieser Text dient nicht als Anleitung wie ich meinem Welpen oder Junghund das Beißen abgewöhne und vielmehr verbiete(!). Denn dies ist wie bei allen Interaktionen zwischen Mensch und Hund schwierig als Patentlösung zu beschreiben.
Ebenso wenig geht es hierbei darum den Teufel an die Wand malen zu wollen!
Es geht darum die Verharmlosung der Beisshemmung anzusprechen!
Menschliche Körperteile gehören NICHT in das Maul eines Hundes!
(Liebevolles Knabbern, feine Sozialspiele sind differenziert, spezifisch und individuell zu betrachten und belangen wieder ein weiteres Thema.)
Und wenn es mir selbst nach extremen Situation schwer fällt mich zu behaupten, stellt sich die ganz elementare Frage: Warum?
(*Definition natürliches Rudel : Mit dem “natürlich Rudel“ ist ein bei einem Menschen lebender Familenverbund gemeint, der sich aus den Elterntieren, ihren Junghunden und der weiteren Verwandtschaft zusammen schließt.)
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